Katholische Schulen in Jordanien
Kleine Wunder zwischen den Schulbänken

Reise zu den katholischen Schulen des haschemitischen Königreichs. Geschichte und Gegenwart einer christlichen Präsenz, die auch bei der muslimischen Mehrheit stets sozialen Konsens gefunden hat.

von Gianni Valente
 

 

      Wie jeden lieben Tag, Punkt acht Uhr, stellen sich die Jungen und Mädchen des „Heilig Land“-College unter dem gestrengen Blick von Rektor Abuna Rashid nach Klassen getrennt in Reih und Glied auf. So stillschweigend und diszipliniert, daß man kaum glauben kann, daß sie eben, in Erwartung der Schulglocke, noch lärmend über den Schulhof tobten. Während der kleine Khalid eine jordanische Fahne im Kleinformat hochzieht, rufen alle Kinder – Christen und Muslime – den einen Gott und Vater aller an („Herr, segne uns, unser Land und unsere Schule. Erleuchte unseren Geist und schenke uns Frieden“). Als die Musik einsetzt stimmen die einen beherzt, die anderen ein wenig lustlos die Nationalhymne an: „Long live the King! His position is sublime! His banners waving in glory supreme!“. Danach laufen sie fröhlich plappernd die Korridore entlang in ihre Klassen, wo sich zu den Kruzifixen und Bildern von König Abdullah II. nun noch Krippen, Nikolause und andere Weihnachtsdekorationen gesellt haben. Was weder die verschleierten Mütter gestört zu haben scheint noch die Väter, die in die Moschee gleich nebenan gehen.
      An einem der Seiteneingänge steht „1948“ geschrieben. Damals, als das haschemitische Königreich Jordanien auf dem Minenfeld Nahost seine ersten unsicheren Gehversuche unternahm, gründeten die Patres der Kustodie des Heiligen Landes auf dem Habdale-Hügel gerade ihre Schule. Noch heute eine der anerkanntesten des Landes – ja, des gesamten Nahen Ostens. Ihr Gründer, der heilige Franziskus, hatte schon 1221 in seiner ersten Regel klargestellt: die Patres sollten nicht zu den Muslimen gehen und dort „streiten und debattieren“. Ihre Aufgabe war es, allen zu Diensten sein. Und diese Aufgabe erfüllen die Patres ganz im Sinne der Franziskusregel noch heute. An den Wänden hängen Fotos aus der „Gründerzeit“. Darauf kann man einen blutjungen König Hussein, Prinz Hasan und andere Mitglieder der königlichen Familie erkennen, die die Patres bei offiziellen Anlässen mit ihrem Besuch beehrten. Eine Art „Danksagung“ einer jungen islamischen Nation, deren Könige sich der Abstammung von Mohammed rühmen: die Muslime wissen schließlich, wieviel die Franziskaner und andere christliche Schulen für die arabische Jugend jenseits des Jordans tun. „Wir sind stolz auf unsere christlichen Schulen, auf den wertvollen Dienst, den sie unserer Gesellschaft erweisen. Wir haben keine Probleme mit ihnen. Die staatlichen Auflagen in Sachen Schülerzahl pro Klasse, Stundenplan und Schulbücher halten sie immer ein,“ berichtet Abd al-Majid al-Abbady, hoher Beamter der Abteilung für Privatschulen des Erziehungsministeriums, sichtlich zufrieden.
      Dennoch laufen die fleißigen Christengemeinschaften in vielen nahöstlichen Gesellschaften Gefahr, zu einem langsam aber sicher vom Aussterben bedrohten Fremdkörper zu werden. Nicht so in Jordanien: dort findet die Vitalität und soziale Integration der christlichen Schulen ipso facto immer mehr Interesse.
     
      Für alle eine gute Sache
      In Karak, 130km südlich von Amman, in einer Wüstenlandschaft, die weder über noch unter der Erde Ressourcen zu bieten hat, kann man schon von weitem die Umrisse des Kreuzfahrerschlosses erkennen. Von der Burg, auf der der blutrünstige christliche Fürst von Antiochia, Rainald de Chatillon wütete, sind nur Ruinen geblieben. Im krassen Gegensatz zu dieser düsteren Erinnerung steht die kleine Schule des lateinischen Patriarchats. Voller Leben und fröhlichem Stimmengewirr ist sie noch heute hier, wo sie Don Alessandro Macagno 1876 gegründet hat. Der sagenumwobene Abuna Skandar predigte den christlichen Beduinenstämmen einst im Jordanraum das Evangelium und lebte mit ihnen in Zelten. Für die Eucharistiefeier hatte er immer einen tragbaren Altar dabei. Der osmanische Gouverneur wollte dem Schulbau zunächst nicht zustimmen, mit vereinten Kräften gelang es Christen und Muslimen dann aber doch, seinen Widerstand zu brechen. Die muslimischen Beduinen wußten, daß sie von diesem demütigen und frommen Mann nur Gutes zu erwarten hatten. Er brachte ihnen lesen und schreiben bei – ganz anders als die Beamten des osmanischen Regierungsapparats, die sich nur für Pfründe und Bestechungsgelder zu interessieren schienen.
 

Von der Burg, auf der der blutrünstige christliche Fürst von Antiochia, Rainald de Chatillon wütete, sind nur Ruinen geblieben. Im krassen Gegensatz dazu steht die kleine Schule des lateinischen Patriarchats. Voller Leben und fröhlichem Stimmengewirr ist sie noch heute hier, wo sie Don Alessandro Macagno 1876 gegründet hat. Der sagenumwobene Abuna Skandar predigte den christlichen Beduinenstämmen einst im Jordanraum das Evangelium und lebte mit ihnen in Zelten. Für die Eucharistiefeier hatte er immer einen tragbaren Altar dabei.

      Die ersten Schulen jenseits des Jordans waren die der Priester des neu errichteten lateinischen Patriarchats Jerusalem. Damals, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wirklich kein leichtes Unterfangen in dieser wenig aufgeschlossenen Welt, die vollkommen von den kleinlichen Gesetzen des Tribalismus beherrscht wurde. Die Unwissenden lehren ist ein Werk der geistigen Barmherzigkeit. Und der Unterricht für alle – Christen und Muslime, Arme und Reiche, Stämme aus Nord und Süd – war letztendlich eine Art passepartout für das apostolische Zeugnis, das nun auch auf dürrem Boden Wurzel fassen konnte. In ländlichen Gebieten ebenso wie in Wüstenzonen, die Jahrhunderte lang keine katholische Pastoralaktivität gesehen hatten. Noch heute sind die Pfarrschulen in Karak, Salt, Hoson, Ajlun, Ader und Anjara im selben Gebäude wie die Kirche untergebracht. Für die gesamte Schulaktivität ist letztendlich der jeweilige Pfarrer verantwortlich.
      Dank ihrer bahnbrechenden plantatio sind die katholischen Schulen in Jordanien bereits seit geraumer Zeit vollkommen im Land integriert. Als das haschemitische Königreich Jordanien errichtet wurde, war das Schulnetz des lateinischen Patriarchats – das schon bald in Amman durch große Kollegien katholischer Kongregationen „Verstärkung“ erhielt – noch immer das einzige „autochthone“ Bildungssystem.
      Heute, in einem Jordanien voller undurchschaubarer sozioökonomischer Prozesse, an denen auch die Konflikte in den Nachbarländern nicht unschuldig sind, ist sogar die Bildung zum Business geworden. Der Konkurrenzkampf wird immer härter. In den wohlhabenden Vororten der Hauptstadt schießen neue private Handelsschulen wie Pilze aus dem Boden. Mit so hochtrabenden Namen wie: Modern American School, Cambridge School, Islamic College, al-Shweifat School… Gute Arbeit zu leisten ist für die Professoren und das Personal der katholischen Schulen längst mehr als ein ganz persönliches christliches Zeugnis: es ist heute die Garantie für eine gesicherte Existenzgrundlage.
      Im Innenhof der Schule, die in dem christlichen Dorf Fuheis, gleich neben der Pfarrei Herz Mariä, entstehen konnte, wird der Eintretende von einem Gemälde der Jungfrau Maria empfangen. Mit mütterlicher Neugier scheint sie das Plakat zu mustern, das man neben ihr aufgestellt hat: die Liste der „Klassenbesten“ eines jeden Schuljahres. Die kontinuierliche Überprüfung der schulischen Leistungen der kleinen Jordanier mag von außen als übertriebener Leistungsdruck erscheinen. Ein „Ansporn“, der einen unerbittlichen Konkurrenzkampf unter den Schülern auslöst und nicht selten zu Frustrationen führt. Aber nur, wenn sie bei diesem Spiel mitmachen, zeigen die christlichen Schulen, daß sie noch immer einen hohen Unterrichtsstandard bieten können. Gerade das macht schließlich die Hauptanziehungskraft aus, die sie noch heute auf muslimische Familien ausüben. Jedes Jahr erstellt das jordanische Erziehungsministerium eine Liste der 10 Schüler, die in den einzelnen Fächern am besten abgeschnitten haben. Und jedes Jahr sind unter den begehrten „Top ten“ auch Schüler christlicher Schulen, was sich auf den Ruf der jeweiligen Schule natürlich entsprechend positiv auswirkt. Die Schule von Fuheis hat die Namen ihrer kleinen „Genies“ sogar auf eine Marmorplatte am Eingang der Schule meißeln lassen: ein kostbares „Denkmal“, das hier ohne falsche Bescheidenheit zur Schau gestellt wird.
     
      Adeste infideles
      Forschen Schrittes eilt Abuna Bashir mit wehender Kutte durch die sonnendurchfluteten Korridore der Pfarrschule von Ader. Er scherzt mit den Kindern, zeigt Bilder von den Schulausflügen, das Zimmer, das eigens für den Nähkurs eingerichtet wurde, und die Klasse, wo eine verschleierte Lehrerin die muslimischen Kinder zum Koranunterricht versammelt hat. „Sie halten gerade ihren Katechismusunterricht…“, meint der junge Pfarrer verschmitzt. „Wir wissen seit Jahrhunderten, daß man Streit mit den Muslimen am besten aus dem Weg gehen kann, wenn man Diskussionen über die Glaubenslehre oder religiöse Themen vermeidet. Die muslimischen Eltern schicken ihre Kinder gern auf unsere Schulen. Sie wissen, daß sie hier kein alltägliches Ambiente vorfinden, ihre Kinder gut erzogen werden und niemandem etwas aufgedrängt wird.“ Ein altbewährtes Motto, das nicht alle verstehen. „Vor einiger Zeit wollte ein protestantischer Missionar aus Amerika wissen, wieviele Muslime ich im letzten Jahr getauft hätte. Ich antwortete ihm, daß es nicht meine Sorge wäre, die Muslime zu taufen. Und als er wissen wollte, was denn dann meine Sorge wäre, sagte ich, daß ich den Christen dabei helfen will, daß sie gerne Christen sind. Das ist alles.“
 
Die Christkönigspfarrei in Misdar, im Zentrum von Amman.
      Die jüngsten Statistiken zeigen, daß im Schuljahr 2005-2006 knapp die Hälfte der mehr als 23.000 Schüler katholischer Schulen aus muslimischen Familien stammten. Mehr als ein Viertel der knapp 1.900 Angestellten der christlichen Schulen Jordaniens – Lehrkörper und Verwaltungspersonal – sind ebenfalls Jünger des Propheten Mohammed. Die stillschweigende Regel, jeder „Religions“-Diskussion aus dem Weg zu gehen, ist den christlichen Schulen in Fleisch und Blut übergegangen. Und das ist auch kein Wunder, wenn man bedenkt, daß die christlichen und islamischen Stämme jenseits des Jordans in Jahrhunderte langem Zusammenleben erprobt sind, was bestimmt nicht immer einfach war. Der Wunsch nach einer Vermeidung von „Glaubenskonflikten“ bedeutet aber nicht, daß man religiös „sterile“ Bereiche schaffen will. Gesetzt wird hier vielmehr auf Methoden, die der gesunde christliche Menschenverstand in jahrzehntelanger Erfahrung entwickelt hat. So beispielsweise die, jede direkte oder unterschwellige Proselytenmacherei zu vermeiden, einen getrennten Unterricht für Christen und Muslime anzubieten, sowie gemeinsame Gebete, mit denen alle die Barmherzigkeit Allahs, Herr aller, erflehen können. Eine Mischung aus Diskretion und Takt im Namen des täglichen Zusammenlebens, und ein Mittel, die Spirale des Mißtrauens, die im Alltag immer wieder durchscheinen kann, zu unterbrechen. In der Hoffnung, der Intoleranz auch außerhalb der Klassenzimmer entgegenzuwirken. „Unser Motto lautet: Freunde in der Schule, Freunde in der Gesellschaft“ sagt Abuna Rifat Bader stolz. Der Verantwortliche der Schule von Wassieh – eine der jüngsten Schulen des lateinischen Patriarchats – hat auch eine gut besuchte Internetseite in arabischer Sprache eingerichtet, wo man Informationen über die Kirche erhalten kann (www.abouna.org). „Jemand, der an unserer Schule war und sich hier wohlgefühlt hat, wird kaum schlecht über die Christen reden...“ Eine Annahme, die von den vielen kleinen Wundern bestätigt wird, die sich tagtäglich in den Klassenzimmern, im Schulhof und den Korridoren dieser schönen Schule ereignen, die im Heiligen Jahr 2000 in der Wüste entstehen konnte. Während wir uns unterhalten, kann man im Hintergrund den Schulchor hören, der gerade für die Weihnachtsfeier probt. All diese Theaterszenen, Reime und Weihnachtslieder in arabischer, englischer und italienischer Sprache verweisen auch auf eine Geschichte, die sich vor 2000 Jahren ereignete; ein Kind, das in einer kalten Nacht geboren wurde und in einer Krippe lag, nicht weit von hier. Der Chor besteht aus ca. 30 Kindern. Fast die Hälfte davon Muslime.
     
      Der Hymnus von Pater Emile
      Am Eingang des namhaften „De La Salle“-Kollegs der Brüder der christlichen Schulen hängt das Foto von Papst Benedikt XVI. gleich neben dem von König Hussein und König Abdullah. Pater Emile, kreativer Direktor des Kollegs, hat zu Ehren des Haschemiten-Monarchen sogar einen Hymnus verfaßt. Der Ordensmann libanesischer Abstammung erläutert uns, wie positiv sich das Zusammenleben von Christen und Muslimen auch auf die Bildung auswirkt („entzündet euer Gehirn am Gehirn anderer, und hell wird die Flamme auflodern“). Aus seiner Ergebenheit der zivilen Macht gegenüber macht er keinen Hehl: „Wir können ein ruhiges Leben führen, weil der König, die königliche Familie und die Regierung auf unserer Seite sind. Der ehemalige Ministerpräsident und viele andere Minister haben bei uns die Schulbank gedrückt. Die Kinder des jetzigen Ministerpräsidenten gehen bei uns zur Schule. Solange wir den König haben, machen wir uns keine Sorgen.“ Auch Sr. Emilia erwähnt die Prinzessinnen Alia, Aisha und Zayn – Töchter von König Hussein: sie sind bei den Schwestern vom Rosenkranz großgeworden, in der Schule, die Sr. Emilia heute leitet. Daß sie ihre christliche Berufung in den Dienst der muslimischen Mädchen Jordaniens stellte, hat sie nie bereut. Zufrieden blättert sie in den Alben mit den Artikeln und Fotos, auf denen Mitglieder der königlichen Familie und Obrigkeiten des Landes bei den graduation days der Schule zu sehen sind. Darüber, daß der Westen immer verbohrter zu sein scheint, einfach nicht verstehen will, welche Faktoren die delikate Beziehung zwischen islamischer Mehrheit und christlicher arabischer Minderheit in Nahost beeinflussen, kann sie nur den Kopf schütteln. „Die Probleme sind von außen gekommen,“ sagt sie. „Aber zum Glück weiß das Königshaus, was man dagegen tun kann.“
      Das Wohlwollen der Haschemiten den christlichen Schulen gegenüber zeigt sich aber nicht nur in der großzügigen Bereitschaft, die Schulabschlußfeiern mit ihrer Anwesenheit zu beehren. Als die Muslimischen Brüder, die in Jordanien schon immer absolute Handlungsfreiheit hatten, im Namen der militanten Islamisierung der Gesellschaft den Bildungssektor kontrollieren wollten, zögerte das Königshaus nicht, konkrete Gegenmaßnahmen zu ergreifen: Ende der Neunzigerjahre, als ausgerechnet am 25. Dezember Prüfungen abgehalten werden sollten, machte König Abdullah Weihnachten und Neujahr auf den Protest der Christen hin zu gesetzlichen Feiertagen. An den christlichen Schulen wird freitags und sonntags kein Unterricht gehalten, dasselbe gilt auch für den Festtag des Schutzpatrons der einzelnen Schulen.
      Die Sympathie, die die christlichen Schulen dagegen für die Haschemiten empfinden, zeigt sich in der treuen Einhaltung der staatlichen Schulprogramme. Jadun Salameh, seit 28 Jahren Arabisch-Lehrer an christlichen Schulen, ist das beste Beispiel für diesen erfrischenden Respekt vor den gegebenen Umständen. Ein Leben lang hat er mit größter Selbstverständlichkeit ein Fach unterrichtet, das ein Muß ist für alle Schulen, deren Stundenplan zum Großteil auf dem Koran und den Schriften des Propheten basiert. Immerhin sind sie die religiösen Wurzeln jener islamischen Zivilisation, in deren Mitte er und alle anderen arabischen Christen leben. Dank der respektvollen Vertrautheit, die er inzwischen mit den heiligen Schriften und religiösen Vorstellungen der Muslime hat („manchmal glaubt man mir gar nicht, daß ich Christ bin“), durchschaut er auch die komplizierte Schachpartie, die noch heute um die koranische Inspiration der Bücher und Schulprogramme gespielt wird.
 
Ein Werkraum im „Heilig-Land“-College.
      Als die Militanten des „Islamischen Wiedererwachens“ zwischen 1989 und 1990 – wenn auch nur für wenige Monate – in Jordanien die Leitung des Erziehungsministeriums übernehmen konnten, wähnten sich die Muslimischen Brüder am Ziel ihrer Wünsche. Die Einführung einer großzügigen „Dosis“ Koran in die Schultexte und das dauernde Einhämmern „islamischer Eroberungsslogans“ kam schon seit geraumer Zeit den Klischees der islamistischen Propaganda entgegen, die nicht müde wurde, den Dschihad gegen die Ungläubigen anzupreisen. Dann aber – seit dem Friedensabkommen mit Israel (1994) und mehr noch seit dem 11. September – scheint der islamistischen Abdrift der Schulprogramme brüsk Einhalt geboten worden zu sein. Ein „Umschwung“, der zweifellos vom Königshaus diktiert wurde.
      Im November 2004, ein Jahr vor den Attentaten in der jordanischen Hauptstadt, stellte König Abdullah in seiner berühmten „Botschaft aus Amman“ klar, „was der wahre Islam ist und was nicht.“ Mit dieser Initiative wollte die Haschemiten-Dynastie ihre Rolle als Mittler und Garant des „rechten Verständnisses“ des islamischen Glaubens bekräftigen, der als „eine Botschaft der Brüderlichkeit und Menschlichkeit“ beschrieben wird, „also das unterstützt, was gut ist und das verbietet, was falsch ist; die anderen akzeptiert und ein jedes menschliches Wesen ehrt.“ Dank der Umsetzung dieses Ansatzes auf den schulischen Bereich sind aus den Schulbüchern allmählich alle Texte und Koranzitate, die sich zur fundamentalistischen Instrumentalisierung eignen, verschwunden. Keine Spur mehr von Propagandatreiberei: „Heute enthalten die Bücher nur Koranverse, die eine versöhnende Botschaft haben, die Schönheit der Schöpfung und des friedlichen Zusammenlebens unter den Völkern herausstellen,“ meint Jadun Salameh. „Da ist keine Rede mehr davon, die Ungläubigen dem Islam zu unterwerfen, keine Spur mehr von heiligen Kriegen…“.
     
      Eine diskrete Hilfe
      Im praktischen Zusammenleben von Christen und Muslimen setzt man in den christlichen Schulen auf das, was sich in Jahrhunderten gemeinsamen Lebens bereits bewähren konnte. Dennoch laufen diese positiven Erfahrungen Gefahr, im jordanischen Alltag als vereinzelte „Überreste“ einer Vergangenheit zu erscheinen, der man nur nachtrauern kann. Es muß gar nicht erst betont werden, daß man auch hier in den letzten Jahrzehnten versucht hat, die Brunnen der Toleranz zu vergiften, aus denen eine seit mehr als tausend Jahren dauernde Koexistenz Nahrung zog. Nichts ist mehr wie zuvor. Die antike Praxis des „Aneinandergewöhnens“, die die Beziehungen zwischen christlichen und muslimischen Stämmen jenseits des Jordans regelte, hat immer weniger Bestand. Wenn die Schüler der christlichen Schulen an die staatlichen Universitäten wechseln, müssen sie die Einschüchterungsversuche engstirniger militanter Professoren und Kollegen über sich ergehen lassen, die meinen, diese „törichten“ Kinder der jordanischen Nation belehren zu müssen, die wirklich glauben, daß Jesus der Sohn Gottes ist. Die islamistischen Bewegungen und eine das öffentliche Leben kontrollierende religiöse Militanz, die vor nichts Halt macht, wird für viele zu einer erdrückenden spirituellen Form von „Mobbing.“
 

Gerade angesichts dieser Evolution ist den katholischen Schulen klar, daß sie ihre Mission immer mehr im Verborgenen erfüllen, daß es darum geht, die ersten Schritte im gesellschaftlichen Leben vieler christlicher Kinder und Jugendlicher einfach, heiter und ohne Komplexe zu gestalten. Und ohne Abwehrhaltung.

      Gerade angesichts dieser Evolution ist den katholischen Schulen klar, daß sie ihre Mission immer mehr im Verborgenen erfüllen, daß es darum geht, die ersten Schritte im gesellschaftlichen Leben vieler christlicher Kinder und Jugendlicher einfach, heiter und ohne Komplexe zu gestalten. Ohne Abwehrhaltung, in einem offenen Ambiente, in dem sie Seite an Seite mit ihren muslimischen Altersgenossen heranwachsen können. Es muß ihnen ermöglicht werden, fast schon unmerklich in den Genuß der Früchte jener Unentgeltlichkeit zu kommen, die die christliche Liebe in den alltäglichsten Beschäftigungen erwachsen läßt – bevor auch für sie die Zeit der Prüfungen kommt.
      Pater Hanna Kildani, Verantwortlicher der Schulen des lateinischen Patriarchats jenseits des Jordans, muß jeden Tag mit zunehmend roten Zahlen kämpfen. Eine der negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Nahostkrise ist nämlich auch die deutliche Kürzung der Löhne jener christlichen Mittelschicht, deren Kinder die Schulen des Patriarchats besuchen. Immer mehr Eltern suchen um teilweise oder vollkommene Befreiung von den Schulgebühren an, die ohnehin nicht einmal annähernd die Unkosten der Schulverwaltung decken. Aber auch die großzügige finanzielle Unterstützung der allgegenwärtigen Ritter vom Heiligen Grab kann die Bilanzdefizite nicht mehr stoppen. „Das Jahresdefizit der Schulen des Patriarchats steigt immer mehr an. Allein in Jordanien liegt es schon bei zwei Millionen Dollar. Unser Patriarch Michel Sabbah will aber unbedingt die Ausbildung der christlichen Kinder garantieren, damit die Christen nicht auch von hier auswandern. Wir wollen um jeden Preis vermeiden, daß die christlichen Familien ihre Kinder von unseren Schulen nehmen, weil sie es sich nicht mehr leisten können,“ erklärt Nader Twal, Pressesprecher der Bildungsabteilung des lateinischen Patriarchats. Manche Eltern nützen das aus, andere wieder tun alles in ihrer Macht Stehende; bezahlen manchmal sogar wie früher „in Naturalien“, in Unzen von Olivenöl. Pater Hanna und seine Mitarbeiter sehen diesen Notstand gelassen. Wie ihre Vorfahren, die an das prekäre Leben in den Beduinenzelten gewöhnt waren, wissen auch sie, daß die Dinge – so Allah will – schon wieder ins Lot kommen.
  

 

Mehr Einschreibungen, zusehends rote Zahlen.
Fallstudie

von Gianni Valente
 

       Ein Phänomen in Zahlen. In Jordanien gibt es 93 christliche Erziehungs- und Bildungsinstitute: 44 Kindergärten und 49 Schulen. 44 davon sind katholische Schulen: 24 Schulen des lateinischen Patriarchats Jerusalem (dessen Jurisdiktion auch Israel, Palästina und Jordanien umfaßt), 10 des melchitischen Patriarchats, eine der katholischen Armenier, 8 werden von lateinischen Kongregationen geleitet (Franziskaner, Lasallianer, Schwestern vom Heiligen Josef und Schwestern vom Rosenkranz, jener in Palästina entstandene Frauenorden, der 5 Bildungsinstitute leitet). Die älteste Schule Jordaniens wurde 1869 von Jean Morétain, Priester des lateinischen Patriarchats, in einem verlassenen Haus in Salt gegründet. Die jüngste Schule ist die 2000 in Wassieh gegründete Schule der Mittelstufe im strukturschwachen Süden des Landes: 36 Klassenzimmer, Werkräume, Besprechungszimmer, Theater, Turnhallen.
      Im Schuljahr 2005-2006 gingen 23.670 Schüler auf katholische Schulen, 12.502 davon Christen (52% der Gesamtzahl), 11.168 Muslime. Lehrkörper und Verwaltungspersonal setzten sich laut letzter Daten vom Jahr 2002 in den christlichen Schulen aus insgesamt 1.842 Angestellten zusammen – 1.280 davon Christen, 562 Muslime. Dazu kommen noch Priester, Ordensfrauen und -männer. Die einzelnen Institute haben bei der Auswahl ihres Personals vollkommen freie Hand – vorausgesetzt natürlich, die Bewerber erfüllen die beruflichen Voraussetzungen.
      40 der 58 Erziehungsinstitute des lateinischen Patriarchats – Schulen und Kindergärten – befinden sich in Jordanien (13 in Palästina und 5 in Israel).
      Wenn man ganz Nahost und Nordafrika betrachtet, hält der Vergleich mit anderen arabischen Ländern Überraschungen bereit. In Jordanien gibt es 93 christliche Bildungsinstitute, im Libanon sogar 341, in Ägypten 130. Aber es handelt sich hier um Länder, in denen autochthone christliche Gemeinschaften mit Millionen von Gläubigen leben. In Jordanien liegt die Zahl der Getauften bei knapp 120.000, weniger als 4% der Bevölkerung.
      Die Schüler der katholischen Schulen Jordaniens sind laut Daten des Jahres 2006 nahezu gleichmäßig verteilt: 11.944 Jungen und 11.726 Mädchen. Nach Altersklassen eingeteilt, ist festzustellen, daß der Großteil der Schüler (12.537) im Grundschulalter ist (zwischen 6 und 14 Jahren), 5.911 Schüler besuchen die Mittelstufe (7. bis 10. Klasse), 2.249 dagegen die 11. und 12 Oberstufenklasse; am Ende des letzten Jahres (tawjihi) steht dann ein Abschluß, der unserer Abiturprüfung entspricht, die mittels Numerus clausus auch als Selektionsverfahren für den Zugang zu den einzelnen Studiengängen fungiert. 90% der Schüler der katholischen Schulen absolvieren diese Prüfung, um an der Universität studieren zu können.
     
      Berufungen zwischen den Schulbänken. Ein Großteil der Priesterberufungen der Kirchen des Heiligen Landes entsteht in den jordanischen Schulen. 38 der 51 Studenten des Knabenseminars des lateinischen Patriarchats Jerusalem kommen aus Jordanien. 28 davon waren auf katholischen Schulen, 10 auf staatlichen Schulen. Am Priesterseminar dagegen sind derzeit 16 der insgesamt 23 Seminaristen Jordanier. 12 davon haben die katholischen Schulen des haschemitischen Königreichs besucht.
     
      Beziehungen zur Regierung. Laut Abkommen zwischen Erziehungsministerium und Generalsekretariat für die christlichen Bildungseinrichtungen in Jordanien haben alle christlichen Schulen folgende Feiertage: Weihnachten, Hochfest der Erscheinung des Herrn, Ostern und Christi Himmelfahrt. Die christlichen Schulen (einschließlich der islamischen) erhalten von der Regierung keine direkten Wirtschaftshilfen. Die Möglichkeit, den christlichen Religionsunterricht an staatlichen Schulen einzuführen, was die Regierung 1996 prinzipiell bestätigt hat, konnte bisher verwaltungstechnisch noch nicht umgesetzt werden.
     
      Begleiterscheinungen. Das irakische Chaos und die israelisch-palästinensische Krise stellen auch die Existenz der christlichen Schulen Jordaniens auf eine harte Probe. Der Preis für das Benzin (das vorher fast gratis aus dem Irak kam) ist allein im vergangen Jahr ums Dreifache gestiegen. Auch der Immobilienmarkt (finanziert von den massiven Investitionen, die die irakische Elite nach Jordanien fließen läßt) erlebt einen wahren „Höhenflug.“ Das alles sind nur einige der Faktoren, die der Mittelschicht der Angestellten – traditionelle „Nutznießer“ der christlichen Schulen – allmählich den Garaus machen. Die Jahresgebühren für die Schulen des lateinischen Patriarchats – die niedrigsten überhaupt – liegen bei 150 bis 200 Dinar, was der Hälfte der Kosten entspricht, die für die Schule pro Schüler anfallen. Die Zahl der Familien, die nicht einmal diesen Beitrag zur Schulbilanz aufbringen können, der ohnehin nur einen kleinen Teil der Unkosten deckt, wird immer größer. Das steigende Defizit der jordanischen Schulen (2 Millionen Dollar im Jahr 2006) stellt die Hälfte des Gesamtdefizits der Schulen des Patriarchats dar. Ein Defizit, das Jahr für Jahr nur dank der Hilfe der Ritter vom Heiligen Grab und anderer Sponsoren eingedämmt werden kann. Sponsoren wie der Heilig Land Ecumenical Foundation, dem Cambridge Nazareth Trust und nicht zuletzt auch Kardinal Carlo Maria Martini, der 2003 ein Solidaritätsnetz einrichtete, das 64.000 Dollar in die Kassen der Schulen des Patriarchats fließen ließ.
      Trotz dieser Schwierigkeiten gelang es dem Sekretariat für die christlichen Bildungseinrichtungen in Jordanien, für ihre Angestellten auch eine Krankenversicherung abzuschließen.


 

Interview mit Khalid Touqan, jordanischer Minister für Erziehung und wissenschaftliche Forschung.
Erinnerung an eine schöne Schulzeit

Interview mit Khalid Touqan von Gianni Valente
 

       Der 52jährige Ingenieur und dreifache Vater Khalid Touqan leitete bis zum Jahr 2000 das Erziehungsministerium. Ein einzigartiger Fall politischer Langlebigkeit in den jordanischen Regierungsetagen. 2005 war er auch Minister für höhere Bildung und wissenschaftliche Forschung. In seinem mehr als ansehnlichen Lebenslauf (er ist auch Präsident der jordanischen Atomenergiekommission) sind auch Doktortitel und Spezialisierungen in wissenschaftlichen Disziplinen an namhaften amerikanischen Universitäten aufgelistet. Auch sein bemerkenswerter menschlicher und beruflicher Werdegang begann in den christlichen Schulen Jordaniens: als Kind hat er – der angeblich ein gewisses Interesse für den Sufismus hegt – am „Heilig Land“- College der Franziskaner die Schulbank gedrückt.
     

Der jordanische Erziehungsminister Khalid Touqan mit Pater Rashid Mistrih, Leiter des „Heilig Land“-College.
      Sie sind heute Bildungsminister für alle Schulen Jordaniens. Ihre Schulzeit haben Sie bei den Franziskanern verbracht…
      KHALID TOUQAN: Das „Heilig Land“-College ist eine Schule mit einem ausgezeichneten Ruf. Man geht dort mit der Zeit. Es ist nach wie vor eine der seriösesten und namhaftesten Schulen Jordaniens, mit einem Niveau, das internationalen Standards in nichts nachsteht. Aber seine Bildungstradition ist auch in unserer Gesellschaft, deren Werten, Tradition und Kultur verwurzelt. Der Lehrkörper hat ein beachtliches Niveau und ist sehr darum bemüht, daß die Schüler optimale Resultate erzielen.
      Die Beziehungen der Schüler untereinander sind freundschaftlich, von gegenseitigem Respekt und Sympathie geprägt. Ich erinnere mich noch heute gern an dieses positive Klima. Lehrer und Schüler vertrauten und respektierten einander und waren sich ihrer gemeinsamen Verantwortung bewußt. Die Lehrer hielten die Schüler stets dazu an, sich gut zu benehmen, die moralischen Werte hochzuhalten und gute schulische Leistungen zu bringen.
      An meine Schulzeit – und ganz besonders diese Schule – denke ich noch heute gerne zurück.
      Wie beurteilen Sie die Rolle der christlichen Schulen in der jordanischen Gesellschaft?
      TOUQAN: Die christlichen Schulen sind wesentlicher Bestandteil der Privatschulen unseres Landes. Sie sind in die Bildungsphilosophie Jordaniens vollkommen integriert. Alle Schulen des haschemitischen Königreichs Jordanien richten sich natürlich nach dem jordanischen Bildungsprogramm, das den Bildungsinstituten auch die Möglichkeit gibt, zusätzliche Schulbücher einzuführen. Welche Texte in den Schulen gebraucht werden, wird vom Bildungs- und Unterrichtsrat festgelegt. Und das gilt sowohl für die christlichen Schulen als auch für die anderen jordanischen Schulen. Die christlichen Schulen sind die respektvollsten und diszipliniertesten; sie leisten einen überaus positiven Beitrag. Sie tragen nicht nur die Verantwortung für die Ausbildung der Schüler, sondern gewährleisten auch eine moderne gesellschaftliche Ausbildung, verwurzelt in den Werten des Wohlergehens aller Menschen und der Liebe gemäß der Botschaft Christi – der Friede sei mit Ihm – und aller Propheten der Menschheit.
      Wie beurteilen Sie die Lage der christlichen Minderheiten in Jordanien?
      TOUQAN: Unsere Christen sind Kinder Jordaniens und tragen dieselbe Verantwortung der gemeinsamen Bürgerschaft wie alle anderen Jordanier auch. Die wertvolle Bildung, die sie erhalten, hat ihnen ermöglicht, Identität und Tradition ihres Heimatlandes zu assimilieren, auf das sie stolz sind und mit dem sie sich verbunden fühlen. Die Tatsache, daß sie eine Minderheit sind, schmälert nicht die Rechte, die die Verfassung ihnen wie auch allen anderen Mitbürgern garantiert.
      Wie Sie wissen, beinhaltet die christliche Religion einen auf die Transzendenz hin offenen Blick, den Edelmut der Seele, Werte wie Vergebung und gegenseitigen Respekt. Und all das spiegelt sich im Geist und im Wirken der Bildungseinrichtungen der christlichen Schulen wieder, sowohl unter den Lehrern als auch unter den Schülern. Man ist darum bemüht, die vielen Gemeinsamkeiten zwischen muslimischer Religion und Christentum herauszustellen, und das gewährleistet ein Zusammenleben in Frieden, Liebe und Brüderlichkeit.
      Im Laufe der Jahrhunderte hat sich in der Geschichte des Islam immer wieder gezeigt, wie wichtig uns Begegnung, Frieden und Kollaboration sind. Im Dialog versucht man, eventuell strittige Fragen zu klären und Meinungen auszutauschen. Das alles stets höflich und weit davon entfernt, auf den eigenen Meinungen zu beharren, im gegenseitigen Respekt für die Überzeugungen des anderen und in der geteilten Sorge um das Wohl des Vaterlandes.
      Die Christen des Orients haben schon immer mit Völkern der Region zusammengelebt, konnten in den Genuß von deren religiösen und bürgerlichen Rechten gekommen. Sie sind Kinder dieses Teils der Erde, haben dieselben Probleme und vertreten dieselben Interessen wie ihre Heimatländer.
      Warum schicken so viele muslimische Eltern ihre Kinder auf christliche Schulen?
      TOUQAN: Normalerweise wählen Eltern, die ihre Kinder einschulen lassen wollen, die Schule nach deren akademischem Niveau und Bildungssystem aus. Die christlichen Schulen in Jordanien haben einen guten Ruf und ein hohes Bildungsniveau. Und deshalb sind sie natürlich auch dementsprechend gefragt, unabhängig von der Religion der Antragsteller.
      Eltern, die ihre Kinder auf christliche Schulen schicken, tun das wegen des guten Rufs der Schule und wegen des Vertrauens, das diese Schulen bei den Familien genießen. Für die christlichen Eltern ist vielleicht auch die religiöse Bildung, die die christliche Schule gibt, ein entscheidender Faktor. Ihnen ist an einer traditionell christlichen Erziehung gelegen, weil sie wollen, daß ihre Kinder Gläubige sind.


 

 

Interview mit Bischof Salim Sayegh.
Ein Lob auf die gute Arbeit

Interview mit Salim Sayegh von Gianni Valente
 

       Hier bei uns versteht der Herr nicht nur arabisch, er spricht es auch.“ Für Salim Sayegh, Patriarchaler Vikar des lateinischen Patriarchats für Jordanien, sind die christlichen Schulen in seinem Land der Beweis dafür, daß die guten Werke immer willkommen sind, unweigerlich jegliches Mißtrauen ausräumen. In seinen Augen steckt hinter dem Erfolg der christlichen Schulen kein Geheimnis. „Sie werden offensichtlich von allen geschätzt, weil sie ganz einfach gute Arbeit leisten,” meint er verschmitzt.
     

Bischof Salim Sayegh bei einer Zeremonie in Wadi Karrar, jenem Ort, wo laut jordanischer Archäologen Jesus getauft wurde.
      Die christlichen Schulen jenseits des Jordans sind wesentlicher Bestandteil der Geschichte dieses Landes…
      SALIM SAYEGH: Das lateinische Patriarchat war in Jordanien Pionier auf dem Bildungssektor. Seit der Zeit der Türken haben die Priester des lateinischen Patriarchats immer zuerst Schulen gegründet. Die Menschen lesen und schreiben gelehrt. Heute liegen die Dinge anders. Das Bildungsministerium ist gut organisiert, in ganz Jordanien gibt es Schulen, auch viele Privatschulen, die hervorragend funktionieren.
      Welche Sendung erfüllen die christlichen Schulen in diesem neuen Kontext?
      SAYEGH: Vor allem können sie den Menschen hier, Muslimen und Christen, dabei helfen, sich nicht in einem Ghetto zu verschließen. Für Christen und Muslime ist es eine Bereicherung, die ersten Schuljahre und später dann auch die weiterführenden Schulen miteinander erleben zu dürfen. Es ist eine „Vermischung“, die dem gesellschaftlichen Leben gut tut.
      Nicht mehr?
      SAYEGH: Die Schulen sind vor allem das wichtigste Mittel, das uns für die Erziehung unserer Kinder zum christlichen Glauben zur Verfügung steht. Dafür, sie in das Leben der Pfarrei und in das liturgische Leben einzuführen. Viele heutige Seminaristen von Beit Jala [Patriarchatsseminar, Anm.d.Red.] sind als Kinder und Jugendliche auf die katholischen Schulen Jordaniens gegangen.
      Die christlichen Schulen wurden schon von der Haschemiten-Monarchie unterstützt. Könnte sich das ändern, wenn die politische Situation im Land umkippen würde?
      SAYEGH: Ich glaube nicht. Wir leben im Orient, und der Orient ist traditionalistisch. Unsere Schulen zu haben gehört sozusagen zu unseren erworbenen Rechten, die niemand anfechten würde. Auch als die Minister mit den Muslimischen Brüdern sympathisierten, stand niemals zur Debatte, die Rolle der christlichen Schulen in Frage zu stellen. Um bei der Wahrheit zu bleiben: Jordanien ist ein armes Land, und wenn sich die christlichen Schulen verpflichten, mehr als 20.000 Schüler zu unterrichten und zu erziehen und das die staatlichen Einrichtungen keinen Dinar kostet, dann wird damit auch der Regierung eine große Last abgenommen
      Vor einigen Jahren haben Sie gesagt, daß die Muslimischen Brüder in Jordanien keine Gefahr waren. Denken Sie das noch immer?
      SAYEGH: Die muslimischen Brüder haben nie auf Gewalt zurückgegriffen. Viele von denen, die man als Fundamentalisten bezeichnet, sind anständige Leute, die nur ihren Glauben leben wollen. Ich kenne viele davon, mit einigen bin ich auch befreundet, wir besuchen uns gegenseitig, respektieren einander, ohne Probleme. Natürlich gibt es unter ihnen aber auch den ein oder anderen, der um jeden Preis Karriere machen will, aber das interessiert uns nicht. Und unter denen, die verroht und nicht besonders gebildet sind, ist vielleicht auch der ein oder andere, der zu Aggressivität neigt. Das kann vorkommen. Es ist normal. So ist das Leben. Aber ein aggressives, feindseliges Verhalten den Christen gegenüber ist nicht die Regel, sondern eine Ausnahme. Und deshalb gibt es ja auch Gefängnisse: sie sind für die Menschen, die die Gesetze nicht respektieren wollen.
      In Europa sind viele der Meinung, daß das Islamische Wiedererwachen unterdrückt werden muß.
      SAYEGH: Man muß objektiv sein. Wir arabischen Christen sind in der Minderheit. Hier haben die Muslime das Sagen. Wenn die Muslime nach Europa kommen, haben dort andere das Sagen. Aber in unserem Land haben die, die das Sagen haben, die Dinge sehr ausgewogen eingerichtet. Ein Beispiel, das in Europa undenkbar wäre: hier in Jordanien müssen laut Gesetz neun von 120 Parlamentssitzen auf Christen entfallen, andere dagegen wieder auf die Zirkassier, die Beduinen und andere Minderheiten, damit die Rechte aller gewährleistet sind.
      Sie zeichnen da ein sehr idyllisches Bild.
      SAYEGH: Die Probleme entstehen dort, wo Christen und Muslime untereinander heiraten. Denn hier kommt die Religion ins Spiel. Wenn eine Christin einen Muslim heiratet und nicht zum Islam konvertiert, hat sie kein Erbrecht und kann ihre Kinder nicht erziehen, wie sie will, ja, darf ihre Kinder, wenn ihr Mann stirbt, nicht einmal bei sich behalten. Aber so ist das Gesetz. Es gibt dem muslimischen Ehepartner immer mehr Rechte. Und das ist auch der Grund, warum wir bei derartigen Mischehen nie die Dispens erteilen.
      In der Zwischenzeit steht der Nahe Osten an euren Grenzen in Flammen. Und im Westen macht man nicht selten den Islam zum Prellbock.
      SAYEGH: Der Westen hat nie verstanden, was der Islam ist, was die Muslime sind. Sonst hätte er in der Palästinenser-Frage anders reagiert, die sich seit fast einem Jahrhundert dahinschleppt. Und er hätte auch in Sachen Irak anders reagiert und nicht versucht, die Menschen mit Füßen zu treten, wie es im Irak oder in Palästina geschehen ist.


 

 

Katholische Schulen in Jordanien
Die Strategie der Diskretion

Das Leben der Christen jenseits des Jordans hing schon seit der Zeit der Apostel von ihrer Diskretion und Anpassungsfähigkeit ab. Eine kluge Nachgiebigkeit, die sich bisher immer bewährt hat. Jetzt aber…

von Gianni Valente
 

Seelenmesse in der orthodoxen Kirche von Amman für die 57 Opfer der Attentate in der jordanischen Hauptstadt (November 2005).
      Im Innenhof der Schule von Anjara, im Norden Jordaniens, zeigt eine naive Wandmalerei den Knaben Jesus an der Hand Marias und Josefs vor ihrem Haus in Galiläa. Daneben steht ein Bibelzitat in arabischen Lettern. Es bezieht sich auf jene Stelle des Lukas-Evangeliums, wo die Muttergottes ihren Sohn zurechtweist, der ohne ein Wort zu sagen bei den Lehrern im Tempel von Jerusalem zurückgeblieben war: „Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam.“ Ein Beispiel für kindlichen Gehorsam, das auch den lebhaften Schülern nahegelegt wird, die lärmend über den Schulhof toben. Aber auch ein Bild der klugen Anpassungsfähigkeit an historische Gegebenheiten und wechselnde weltliche Mächte, die schon seit jeher aus der Geschichte des Christentums in Jordanien herausscheint.
      Die Zahl der Getauften im haschemitischen Königreich beläuft sich heute auf wenige Zehntausend. Doch in dem Land jenseits des Flusses, wo Jesus von Johannes dem Täufer getauft wurde, war der Glaube niemals „Fremder“. In Gadara, dessen Ruinen sich nahe dem heutigen Umm Qays befinden, hat Jesus, wie das Matthäus-Evangelium berichtet, die beiden Besessenen geheilt. Paulus dagegen soll das Land bei seiner Reise nach Arabien durchquert haben (Brief an die Galater). In einer Grotte, die man in Ader, in der St.-Josefs-Pfarrei entdeckte, sind noch heute an die Wand gezeichnete Kreuze zu erkennen: Laut Meinung der Experten des Studium biblicum franciscanum Zeichen dafür, daß diese kleine Grotte schon im 1. Jahrhundert ein Treffpunkt für Christen war. Aber vor allem die Ruinen vieler Kirchen aus dem 4. und 5. Jahrhunderts bezeugen, daß das Christentum damals in den hellenisierten städtischen Zentren ganz Jordaniens erblühen konnte.
      Damals nahmen Bischöfe von Städten wie Philadelphia (heute Amman), Esbus und Aila (heute Aqaba) am Konzil von Nikäa teil. Der Glaube an Jesus konnte auch bei dem ehemaligen Volk der Nabateier Verbreitung finden, dessen antike Hauptstadt Petra seit 447 eine Kathedrale hat. Außerhalb der Stadtgebiete wurden auch einige arabische Nomaden-oder Halbnomadenstämme der Wüste christlich. In der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts, als die Einfälle der arabischen Reiterhorden den islamischen Eroberungszug einleiteten, verbündeten sich einige dieser Stämme mit ihren blutsverwandten Invasoren und sicherten sich durch Zahlung von Tributen deren Schutz. Besonders der immer noch einflußreiche Stamm der al-Azeizat („die Verstärkung“) kämpfte an der Seite der Krieger des Propheten und erwarb sich so Ruhm und den anhaltenden Respekt der neuen Herren. In den darauffolgenden Jahrhunderten, während die hellenisierten Städte immer mehr verödeten, konnte dank dieser unbedeutenden Stämme jenseits des Jordans eine kleine Präsenz von Christen in einem Gebiet überleben, das nach der Verlagerung des Kalifen nach Bagdad ebenfalls unbedeutend geworden war. Die erzwungene Errichtung der Kreuzfahrerfürstentümer jenseits des Jordans änderte nichts an der Situation vor Ort. Erst mit Ankunft der Osmanen gab es dort wieder eine Art politisch-territorialer Administration, die die Rechte der religiösen Minderheiten garantierte, wenn auch auf einer untergeordneten Basis. Die Christen in Transjordanien – unter der Regierung von Soliman II. sollen es weniger als dreitausend gewesen sein – wurden fast alle der Jurisdiktion des griechisch-orthodoxen Patriarchen von Jerusalem unterstellt, der ihnen jedoch keinerlei pastoralen Dienst zukommen ließ. In der Anarchie, von der die Region nach wie vor geprägt war, hielten die christlichen Stämme eigentlich nur deshalb an ihrer Zugehörigkeit zum Christentum fest, um sich von den anderen Stammesclans islamischen Glaubens zu unterscheiden. „Die christlichen Beduinen Jordaniens, die nicht weniger kämpferisch waren als ihre Nachbarn, wußten, wie man sich Respekt verschafft. Für die schwächeren Stämme dagegen war es naheliegend, sich unter den Schutz stärkerer muslimischer Stämme zu stellen, indem sie Tribute zahlten“ (J.P. Valognes, Vie et mort des chrétiens d’Orient, Fayard, Paris 1994, S. 618).
     
 

Um Kirchen und Schulen bauen zu können, war es allgemein üblich, sich die Freundschaft von Scheichen und türkischen Beamten mit Geschenken zu erkaufen. Das ‚Können‘ bestand darin, diese ‚Großzügigkeit‘ in einem vernünftigen Rahmen zu halten.

      „Gesegnete“ Bestechungsgelder
      Mitte des 19. Jahrhunderts wagten sich die christlichen Kirchen Palästinas – Lateiner, Griechisch-Orthodoxe, Anglikaner – auf der Suche nach ihren autochthonen Gläubigen mit Zustimmung der Hohen Pforte in die Gebiete jenseits des Jordans vor. Das Patriarchat Jerusalem erwies sich schon bald als dynamischste pastorale Realität. Dank der Gründung der ersten Schulen konnten fromme und findige Missionare mit langen Rauschebärten – darunter Jean Morétain, Giuseppe Gatti, Alessandro Macagno – ein einzigartiges und aufregendes apostolisches Abenteuer erleben. In dem geschlossenen Ambiente, das nun ihre Heimat war, hatten sie nicht nur mit korrupten Politikern und barbarischen Tribalismen zu kämpfen, sondern auch mit religiösen Fanatismen. „Ich sagte das Dominus vobiscum und predigte meinen Pfarrkindern, und wenn ich nach unten blickte, konnte ich mehr Hörner und Tierköpfe sehen als Gläubige,“ berichtet Pater Morétain über seine erste Messe in Salt in einem christlichen Haus, das auch als Stall fungierte. Wenn man Kirchen, Schulen und andere Einrichtungen bauen wollte, mußte man sich nicht selten auch mit der Korruption und Geldgier der türkischen Obrigkeiten arrangieren. „Es war allgemein üblich,“ schreibt Pierre Médebielle in seiner Geschichte der Mission von Salt, „sich die Freundschaft von Scheichen und türkischen Beamten mit Geschenken zu erkaufen. Das ‚Können‘ bestand darin, diese ‚Großzügigkeit‘ in einem vernünftigen Rahmen zu halten.“
      Schon damals bestand in den Beziehungen zur muslimischen Mehrheit auf beiden Seiten ein Tabu, das eine religiöse Abschottung bedeutete. So weiß Médebielle von einem Christen zu berichten, der 1882 seine eigene Tochter enthauptete, weil sie sich einem Muslim hingegeben hatte. Das Verbot, sich in Konversionen zu versuchen einmal dahingestellt, verlief das Zusammenleben normalerweise relativ problemlos, war manchmal sogar von gegenseitigem Entgegenkommen geprägt: wie damals, als der Scheich von Karak an den Patriarchen von Jerusalem schrieb und ihn bat, für die Seelsorge seiner christlichen Mitbürger einen Priester zu schicken. Dann und wann geriet die zerbrechliche religiöse pax jedoch auch ins Wanken: wenn es z.B. zum Ausbruch von Stammesfehden kam oder der Fanatismus’ mancher muslimischer Leader die Oberhand gewinnen konnte. Aber die christlichen Gemeinschaften mußten vor allem die Konsequenzen der westlichen Nahost-Politik bezahlen. Im ersten Weltkrieg kam es in der Region zu gewalttätigen Repressalien: die Türken wiegelten die Muslime zu Razzien auf, und ein Großteil der Christen war gezwungen, mit den im Rückzug begriffenen englischen Truppen zu fliehen. Bei ihrer Rückkehr nach Kriegsende bot sich ihnen ein verheerendes Bild: zu Ställen umfunktionierte Kirchen, zerstörte Ordenshäuser und Schulen. Ein Brief von Bishara Farwagi, damals Pfarrer von Salt, vermittelt einen Eindruck der desolaten Situation: „Salt bietet einen bedauernswerten Anblick. Fuheis brennt noch immer: wie mir der Gouverneur berichtet, ist es ein einziger Trümmerhaufen. […] Es gibt viel zu tun.“
     
 
König Abdullah II. und Prinzessin Ranja mit den Oberhäuptern der christlichen Kirchen von Jordanien auf einem Foto von 2001. Der erste von links ist Georges El-Murr, Erzbischof von Petra und Philadelfia der Griechisch-Melkiten.
      Zwischen König Hussein und PLO
      Das heutige Jordanien gilt als „gemäßigtes“ islamisches Land. Das haschemitische Königreich, das aus dem unter britischer Mandatsverwaltung stehenden Emirat Transjordanien entstanden war, hat nie einen Hehl daraus gemacht, ein muslimischer Staat zu sein. Seine Macht legitimiert es mit der direkten Abstammung seiner Dynastie von Mohammed. Die verweltlichenden und progressistischen Theorien des panarabischen Nationalismus, die bis Ende der Siebzigerjahre in den Nachbarländern um sich griffen – von Syrien, über Ägypten bis in den Irak – konnten in Jordanien nie Fuß fassen. Und während andere arabische Länder Polizeikampagnen gegen die Muslimischen Brüder anzettelten, genossen die Militanten des Islamischen Wiedererwachens und die salafitischen Hardliner in Jordanien volle Handlungs- und Propagandafreiheit. Islamische Religion und staatliche Institutionen stehen in einer vorbehaltslos akzeptierten Wechselwirkung. Der Großmufti und die Imam der Moscheen werden von der bürgerlichen Macht ernannt, die deren Aktivitäten überwacht. Und um die Konformität der Regierungsbeschlüsse mit den Koranvorschriften zu beurteilen, konsultiert man hohe islamische Würdenträger.
      Die Christen Jordaniens haben diese islamische Legitimierung der staatlichen Institutionen grundsätzlich nie beanstandet und sich mit der moderaten Anwendung der Koran-Gesetze durch die Regierenden zufriedengegeben. Der Islam ist Staatsreligion, aber die Verfassung von 1952 sanktioniert die Gleichheit aller Jordanier vor dem Recht ohne Diskriminierung basierend „auf Rasse, Observanz und Religion“. Garantiert sind „freie Kult- und Religionsausübung, im Einklang mit dem in Jordanien üblichen Brauchtum“, und auch die Bildungsfreiheit („die Kongregationen haben das Recht, eigene Schulen für die Ausbildung ihrer Mitglieder zu haben “, heißt es in Artikel 19).
      In all den Krisen und Stürmen, die Jordanien in den letzten 10 Jahren durchmachen mußte, brachten die christlichen Minderheiten der Haschemiten-Dynastie stets Loyalität und Dankbarkeit entgegen. Die Massen palästinensischer Flüchtlinge, die ihre von Israel besetzten Gebiete verlassen mußten, haben das ethnisch-demographische Profil des Landes langsam aber unwiderruflich verändert. In den Sechzigerjahren waren einige palästinensische Christen (wie der aus Salt stammende Marxist Nayef Hawatmeh) in den Führungsspitzen der PLO und anderen Palästinenserorganisationen vertreten –Staat im Staate–, die König Hussein nach den Aufständen von 1970 im Rahmen des berühmten „Schwarzen September“ des Landes verweisen ließ. Aber das war der einzige Moment, in dem einige christliche Untertanen palästinensischer Abstammung zwischen der Sympathie für die muslimische Dynastie, die sie „beschützt“, und der Attraktion für die revolutionäre politische Militanz hin und herschwankten, die den Sturz der Monarchie im Auge zu haben schien.
     
      Die Geigen von Anjara
      Die Flexibilität der jordanischen Christen den historischen Gegebenheiten gegenüber hat ihnen paradoxerweise dabei geholfen, im öffentlichen Leben, in Politik und Gesellschaft einen Platz einzunehmen, der sicher um einiges bedeutender ist, als die geringe Zahl der Getauften in der jordanischen Bevölkerung vermuten lassen würde.
 
Irakische katholische Mädchen bei der Messe in der Christkönigspfarrei in Misdar, im Zentrum von Amman.
      Neun von 110 Parlamentssitzen sind Christen vorbehalten. Der derzeitige Arbeitsminister Bassem al-Salem ist Christ, und vorherige Regierungen hatten bis zu drei Minister christlichen Glaubens. In den hohen Rängen des Militärs sind Christen vertreten, am königlichen Hof, in der Verwaltung der Gerichtsbarkeit, in den Führungsspitzen von Unternehmen und jordanischen Banken. Die Journalisten Fahed Alfanek, Tarek Masarwa und Salwa Amarin – drei der einflußreichsten des Landes – sind Christen. Und doch, auch das ein Paradox, gerade dieser gesellschaftliche Status, der mühelos erworben wurde, ohne die eigene Identität verteidigen zu müssen, hat bei manchen Christen den Eindruck entstehen lassen, sie wären eine Elite, die von den alarmierenden Phänomen bedroht wird, die in der Gesellschaft zusehends Form anzunehmen beginnen: Frustration und Ressentiment, endemische Arbeitslosigkeit und unbefriedigtes Konsumverhalten. Phänomene, die in den heruntergekommenen Peripherie-Zonen der Stadtzentren die alten Traditionen der Beduinenstämme zerschlagen und den Slogans der islamistischen Ideologie den Weg ebnen. Abu Musab al-Zarqawi, der angebliche Verbindungsmann zu Al Qaeda und zum irakischen Regime Saddam Husseins, den die US-Strategie zum Medienmythos machte, soll in Zarqa geboren und in jenen Jahren dort aufgewachsen sein, in denen die Peripherie des „jordanischen Chicago“ vor palästinensischen Flüchtlingslagern aus den Nähten zu platzen drohte. Es ist also nicht weiter verwunderlich, wenn viele reiche christliche Familien Jordaniens ihre unsichere Zukunft als unerträglich empfinden und ihre Kinder ins Ausland schicken. So trägt auch die Emigration der jordanischen Christen zur langsamen Auslöschung der christlichen Gemeinschaften in den arabischen Ländern bei: eine weitere „Begleiterscheinung“ unüberlegter westlicher Geopolitik in Nahost.
      Aber nicht alle können weggehen. Und manche denken gar nicht daran: Die Kinder der Schule von Anjara beispielsweise. Gerade jetzt, wo Pater Hugo zwei Geigen auftreiben konnte und den Leiter der Militärkapelle als „Geigenlehrer“ angeworben hat, würden sie sich am liebsten jeden Nachmittag als Geigenvirtuosen versuchen.
     
     
     
      WIE GEHOLFEN WERDEN KANN
     
      Die Schulen des lateinischen Patriarchats in Jordanien können auf verschiedene Weise unterstützt werden (Schulpartnerschaften, Fernfinanzierung einzelner Schüler). Für weitere Fragen stehen Ihnen Pater Hanna Kildani (e-mail: kildani@wanadoo.jo) oder Nader Twal (e-mail: ntwal@hcef.org) gerne zur Verfügung.
      Es können auch Spenden auf folgendes Spendenkonto bei der Jordan National Bank überwiesen werden:
     
      Kontoinhaber:
      General Administration-Latin Patriarchate Schools;
      Jordan National Bank
      Kontonr.: 5002301035500443-04;
      Swift Code: JONBJOAX;
      Branch: Private Banking Branch.
     
      Die Schwestern der Ordensfamilie des fleischgewordenen Wortes kümmern sich um 10 Kinder, die keine Eltern mehr haben oder aus gestörten Familienverhältnissen stammen. Wenn Sie über mehr darüber wissen möchten, wenden Sie sich bitte an Pfarrer Hugo Alaniz (hugoalaniz@ive.org).
      Es ist auch möglich, Spenden auf folgendes Spendenkonto bei der Bank of Jordan zu überweisen:
     
      Kontoinhaber:
      Patricia Carbajal;
      Bank of Jordan
      Kontonr.: 0013030870640001;
      Swift Code: BJORJOAX;
      Branch: Ajlun Branch.
 

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